Letzter Teil des zentralen Solenoid-Magneten ist fertiggestellt
Auf dem Weg zur Kernfusion: Das Herzstück des ITER-Fusionsreaktors ist fertiggestellt – der zentrale Solenoid-Magnet. Dieser 18 Meter hohe Zylinder bildet die Achse des ringförmigen Plasmabehälters und erzeugt ein 13 Tesla starkes Magnetfeld. Dieses wäre stark genug, um einen ganzen Flugzeugträger anzuheben, wird im ITER-Reaktor aber benötigt, um das Fusionsplasma aufzuheizen und in Strömung zu versetzen. Bis das gesamte Reaktorkomplex fertig zusammengebaut ist, wird es aber noch einige Jahre dauern.
Die Kernfusion gilt als potenzielle Energiequelle der Zukunft. Dafür muss es jedoch gelingen, das Fusionsplasma zu zünden und damit eine sich selbst erhaltende Fusionsreaktion in Gang zu bringen. Für die Laserfusion ist dies 2022 zwar gelungen, aber nur wenige Sekundenbruchteile lang. Zudem müssen künftige Fusionskraftwerke mehr Energie gewinnen als für das Aufheizen und Einschließen des Fusionsbrennstoffs benötigt wird – auch hier hapert es noch.

Abhilfe schaffen soll der internationale Fusions-Großreaktor ITER, der zurzeit in Südfrankreich gebaut wird. Er soll 500 Megawatt an Energie bei nur 50 Megawatt Heizenergie erzeugen und damit den Breakeven-Punkt für die Kernfusion deutlich übertreffen. Das Geld und die rund eine Million Bauteile für den nach dem Tokamak-Prinzip arbeitenden Reaktor kommen aus 35 Ländern, Im Jahr 2020 hat der Bau begonnen.
Das letzte Bauteil des ITER-Herzstücks wird eingebaut
Jetzt ist es soweit: Der ITER-Fusionsreaktor bekommt das letzte noch fehlende Bauteil seines Herzstücks, des zentralen Solenoid-Magneten. Dieser 18 Meter hohe, 4,25 Meter breite und mehr als 1.000 Tonnen schwere Magnetzylinder bildet die zentrale Achse des doughnutförmigen Reaktors. Mithilfe von supraleitenden Spulen aus Niobzinn (Nb3Sn) kann der Solenoid ein Magnetfeld von 13 Tesla erzeugen – das ist 280.000 Mal stärker als das Erdmagnetfeld und stark genug, um einen ganzen Flugzeugträger zwei Meter anzuheben.
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Im fertigen ITER-Reaktor erzeugt der zentralen Solenoid erzeugt 300 bis 500 Sekunden lange, regelmäßige Magnetpulse, die das heiße, geladenen Plasma im Reaktor-Torus in eine ringförmige Strömung bringen und einschließen. Gleichzeitig heizt der „Herzschlag“ dieses Magneten das Plasma auf bis zu 150 Millionen Grad auf und verleiht ihm eine Energie, die rund 15 Millionen Ampere entspricht – mehr als jemals zuvor in einem Fusionsreaktor dieses Typs erzeugt wurde.
Für den sicheren Einschluss des Fusionsplasmas sorgen zusätzlich zwei weitere Magnet-Ensembles. Diese 18 toroidalen und sechs poloidalen Magnetspulen sitzen außen am Plasmaring und ober- und unterhalb des Reaktorgefäßes und bilden von dort aus den magnetischen „Käfig“ für das Plasma.

Internationale Kooperation trotz politischer Konflikte
„Das ITER-Projekt ist die komplexeste wissenschaftliche Kollaboration in der Geschichte“, sagte der ehemalige ITER-Generaldirektor Bernard Bigot im Jahr 2021. „Bauteile, die es so noch niemals vorher gab, werden dafür auf drei Kontinenten hergestellt – jede dieser Komponenten ist das Ergebnis erstklassiger Ingenieursarbeit.“ Erst durch diese internationale Zusammenarbeit sei ein solches Projekt überhaupt möglich.
Mit der Fertigstellung des zentralen Solenoids hat nun offiziell die „Zusammenbau“-Phase des ITER-Großreaktors begonnen. Die in verschiedenen Ländern hergestellten Bauteile werden nun nach und nach in das Grundgerüst eingefügt. „Was ITER einzigartig macht, ist nicht nur seine technische Komplexität, sondern auch die internationale Kooperation, die trotz veränderter politischer Landschaft anhält“, sagt der aktuelle ITER-Generaldirektor Pietro Barabaschi.
Im ITER-Projekt arbeiten bis heute Staaten zusammen, die politisch eher Gegner oder zumindest keine Freunde sind. So wurden die Komponenten des zentralen Solenoids und das Stützgerüst des Reaktors in den USA gefertigt, die toroidalen und poloidalen Magnete kommen aus Europa, Russland und Asien. Auch das Niobzinn für die supraleitenden Spulen stammt größtenteils aus diesen drei Regionen. Das Kühlsystem für die supraleitenden Magneten wurde in Indien hergestellt.
„Das ITER-Projekt ist damit eine Verkörperung der Hoffnung. Es zeigt, dass ein friedlicher Fortschritt und eine nachhaltige Energiezukunft möglich sind“, sagt Barabaschi.
Inbetriebnahme Anfang der 2030er Jahre geplant
Allerdings haben die aktuellen Weltereignisse der letzten Jahre auch beim ITER-Projekt ihre Spuren hinterlassen – vor allem in Bezug auf den Zeitplan. Ursprünglich sollte der Bau bis zum Jahr 2025 vollendet sein, aber durch die Corona-Pandemie und die durch sie verursachten Verzögerungen und wirtschaftlichen Probleme hat sich dies verzögert. Die Inbetriebnahme des Fusionsreaktors ist nun für 2033/2034 geplant.